Land Berlin übernimmt Vorreiterrolle bei ressourcenschonenden Bauweisen

1. Fachdialog „Re-Use und Recycling von Dämmstoffen bei Gebäuden“: Die Klimaschutz- und Ressourcenschutzwende muss auch im Bausektor aktiv angegangen werden.

Schwindende Rohstoffe, knapper werdende Deponieräume sowie ambitionierte Klimaschutzziele machen es unerlässlich, den hohen Ressourceneinsatz im Bauwesen neu zu überdenken. Re-Use- und Recyclingmaßnahmen von Dämmstoffen nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Um Impulse für eine zirkuläre Bauweise in ganz Deutschland zu sammeln, veranstalteten die Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, der Gesamtverband Deutscher Holzhandel e.V. (GD Holz) sowie der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) am 6. Oktober 2021 ihren ersten gemeinsamen Fachdialog „Re-Use und Recycling von Dämmstoffen bei Gebäuden“ als Online-Konferenz mit rund 300 angemeldeten Teilnehmenden.

Der Staatssekretär der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin (SenUVK), Stefan Tidow, betonte in seinem Grußwort die große Relevanz von Re-Use- und Recyclingmaßnahmen bei Dämmstoffen. Jedes Jahr fallen 200.000 Tonnen an Dämmstoffen in Deutschland an, die in der Regel einfach entsorgt werden. Hier forderte er kreative Ideen und Initiativen von allen Baubeteiligten, um den Einsatz von re-use- und recyclingfähigen Dämmstoffen im Bauwesen zu erhöhen. „Um auch in Zukunft ökologisch und ökonomisch sinnvoll bauen zu können, muss die Bauwirtschaft ihre Prozesse auf eine zirkuläre Wertschöpfung umstellen — und zwar von der Planung über die Erstellung, den Betrieb bis zum Rückbau sowie eine umfassende lebenszyklusbegleitende Dokumentation. Andernfalls sind Klimaschutz, Kostenverträglichkeit und Ressourcenschutz auf Dauer nicht miteinander zu vereinen“, so Tidow. Das Land Berlin will dabei konsequent mit gutem Beispiel bei öffentlichen Bauvorhaben vorangehen. Neben dem im Juni 2021 verabschiedeten Abfallwirtschaftskonzept für 2030 unter dem Leitbild Zero Waste wird in Zukunft auch ein umfassendes Recyclingkonzept für Berliner Neubauvorhaben verlangt. Darüber hinaus plant das Land Berlin in seiner Berliner Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt, auch den Einsatz von Dämmstoffen bei öffentlichen Bauvorhaben ab 2024 verbindlich zu regeln: So sollen nur noch wiederverwendbare und recyclingfähige Dämmstoffe mit einem ambitionierten Recyclat-Anteil eingesetzt werden. Somit würden nicht recyclingfähige Materialien ab 2024 nicht mehr eingesetzt werden können. Zusätzlich plant die Senatsverwaltung einen Baumarkt für gebrauchte Baumaterialien, welcher in Form eines Pilotprojektes im nächsten Jahr umgesetzt werden soll.

Wachsende Relevanz einer Kreislaufwirtschaft von Dämmstoffen

Als ersten Referenten begrüßte Moderatorin Dr. Katharina Gamillscheg (stellvertretende Geschäftsführerin des GD Holz) auf dem von der Architektenkammer Berlin als Weiterbildungsveranstaltung anerkannten Fachdialog Corvin Veith vom ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH. Ausgehend vom Status Quo erläuterte Corvin Veith die unterschiedlichen Entsorgungsmöglichkeiten von Mineralwolle, EPS und Holzfaserplatten. Dabei ging er explizit auf den unterschiedlich hohen CO2 Verbrauch beim Entsorgen ein. Im Ergebnis kam er dazu, dass die genaue Höhe der CO2 Einsparung beim Recycling vom jeweiligen Dämmstoff abhänge; die Wiederverwertung (Re-Use) aber in allen Fällen besser sei.

„In Zukunft entscheiden die Materialien darüber, was wir entwerfen und planen.“

Die wachsende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft bei der Planung bis zur Umsetzung von Bauvorhaben wurde auch im Vortrag von M.A. Arch. Eva-Maria Friedel, Architektin und Expertin für nachhaltiges Bauen bei weberbrunner berlin Gesellschaft von Architekten mbH, deutlich. Sie verwies ausgehend von einem Vergleich der Treibhausgasemissionen von Baumaterialien auf die zwei Optionen der Kreislauffähigkeit. Entweder müssten die Materialien zu 100 % biologisch abbaubar oder sortenrein trennbar sein, sodass sie zu 100 % wiederverwendbar oder recyclebar seien.

Kreislaufwirtschaft leistet einen substanziellen Beitrag zum Klimaschutz

Auf die Darstellung einer allgemeinen Kreislaufwirtschaft bezog sich auch der Vortrag von Dipl.-Ing. Sandra Giern, Leiterin der Abteilung für Abfallbehandlung, Logistik und Sonderabfall beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. und Geschäftsführerin der Bundesvereinigung Recycling Baustoffe.

Sie zeichnete auf, wie eine nachhaltige Abfallwirtschaft durch geschlossene Kreisläufe und verstärkte Rezyklatmärkte bis 2050 erreicht werden könne. Auch eine nachhaltige ökologische Beschaffung mit Recyclinglabel nähme dabei eine zentrale Rolle ein. Abschließend empfahl sie die Festlegung von Rezyklateinsatzquoten und materialspezifische Recyclingquoten für Dämmstoffe aus dem Rückbau.

Kreislaufgerechter Einsatz von Dämmstoffen

Nach einer ersten Diskussionsrunde widmeten sich sechs weitere Vorträge der Relevanz sowie den Fortschritten der Kreislaufwirtschaft von Dämmstoffen. Mitveranstalter und Moderator des zweiten Blocks Dr. Hans-Joachim Riechers, Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V., erläuterte zu Beginn die Notwendigkeit sowie praktische Relevanz von recycelten Dämmstoffen.

Rainer Blum als Vertreter des Verbandes Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen e.V. eröffnete die Darstellung mit einer Präsentation zum Re-Use und Recycling von Holzfaserdämmstoffen. Dabei verwies er darauf, dass Holz grundsätzlich als natürliche Ressource neben der energetischen Verwertung einen Materialkreislauf ermögliche. Der Rückbau sei aber frühzeitig in den Planungsprozess einzubeziehen und der Aufbau regionaler Rückbauzentren erforderlich, um auch kurze Wege zu ermöglichen.

Serena Klein, Sprecherin der Geschäftsführung, und Ulrich Meier, Geschäftsführer Technik vom Industrieverband Hartschaum e.V., legten dar, dass bereits heute dank modernster Technik ein 100%iges Recycling von EPS-Dämmabfällen mithilfe eines physikalischen Recycling-Prozesses möglich sei. Grundlage hierfür sei die „CreaSolv“-Technologie, mit der ein neuer, qualitativ hochwertiger Polystyrol-Rohstoff (Loop PS) entstehe. Dabei werde der früher verwendete Zusatzstoff HBCD sicher zerstört und wertvolles Brom für neue, umweltfreundliche Flammschutzmittel zurückgewonnen. Der Bereich Re-Use von EPS sei hingegen noch in der Entwicklung.

Dr. Thomas Tenzler, Geschäftsführer vom Fachverband Mineralwolleindustrie e.V., präsentierte in seinem Vortrag die Vorteile von Mineralwolle, vor allem der Stein- und Glaswolle. In der Glaswolleproduktion werde mit bis zu 80 % Altglas bereits heute ein hoher Recyclinganteil erreicht. Insgesamt sei festzustellen, dass mit existierenden Verfahren und Rücknahmesystemen bereits einige tausend Tonnen Mineralwolleabfälle pro Jahr recycelt würden.

Für den Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e.V. stellte Geschäftsführer Tobias Schellenberger die Re-Use- und Recyclingfähigkeiten von Polyurethan Dämmstoffen vor. Auch er betonte, dass Re-Use und Recycling beim Planen beginne. Bei Modernisierungsmaßnahmen solle immer geprüft werden, ob vorhandene Dämmstoffe im Gebäude belassen und durch zusätzliche Dämmschichten ertüchtigt werden könnten. Rückbaubaren Dämmsystemen sei der Vorzug einzuräumen. Beim Recycling sei es heute schon möglich, nicht recyclingfähige PET-Verpackungen zur Herstellung von Polyurethan Hartschaum zu nutzen. Aus sortenreinen Abfällen von Polyurethan Hartschäumen entstehen bereits heute gänzlich neue vielfältig einsetzbare Funktionswerkstoffe.

Norbert Buddendick, Geschäftsführer bei Fachvereinigung Extruderschaum e.V., ergänzte, dass der Dämmstoff XPS sich seit 2015 durch seine Recyclingfähigkeit auszeichne. Eine konsequente Weiterentwicklung des Produktes ermögliche die Weiternutzung und ein Direktrecycling. Zwar noch in kleinen Mengen, aber der weitere Weg sei vorgezeichnet.

Abschließend referierte Dr. Sebastian Dantz vom Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. über die Rückbaumöglichkeiten von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS). Auch er betonte, dass für die notwendige Ressourcenschonung das Ausnutzen der Langlebigkeit der Dämmsysteme erforderlich sei. Die stoffliche Wiederverwendung aller einzelnen WDVS-Komponenten sei nach einem genauen, wenn auch aufwendigen Trennprozess möglich. Hierfür seien noch weitere Optimierungen in den Rückbauverfahren und der Trenntechnologie erforderlich.

Die Veranstaltung endete mit einem klaren Bekenntnis aller Beteiligten zu mehr Kreislaufwirtschaft innerhalb des Bausektors. Die verschiedenen Initiativen des Landes Berlins, nur noch wiederverwendbare und recycelbare Dämmstoffe einzusetzen, wurden allgemein begrüßt.

Dieser Fachdialog bildete den Anfang für weitere interessante Formate und Diskussionsrunden zum Thema Re-Use und Recycling von Dämmstoffen und soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden.

 

Downloads

Foto: ©Mauricio Jordan – stock.adobe.com

 


Über den VDPM

Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) repräsentiert die führenden Hersteller von Fassadendämmsystemen und deren Zubehör, Außen- und Innenputzen, Mauermörtel und Estrich. Im Sinne seiner Mitgliedsunternehmen engagiert sich der VDPM für eine effiziente Interessenvertretung gegenüber der (Fach)Öffentlichkeit, der Politik, sowie den Behörden und Institutionen auf deutscher und europäischer Ebene. Die Fachgremien des VDPM erarbeiten und bewerten dabei Grundlagen und Vorschläge zu Technik- und Umweltschutzthemen sowie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, beteiligen sich an Forschungsvorhaben und leisten erfolgreiche Presse- und Normungsarbeit. Für Planer, Architekten und Bauherren stellt der Verband eine Vielzahl herstellerneutraler Informationen zur Verfügung und ist kompetenter Ansprechpartner.