Estrich – Zukunftsbaustoff mit vielen Facetten

Nach drei Jahren coronabedingter Pause freuten sich rund 150 Estrichleger, Planer, Sachverständige und Vertreter der Industrie über den persönlichen Austausch beim 7. FLIESSESTRICHFORUM am 18.10.2022 in Fulda. Das Spektrum reichte von aktuellen Rohstoff-Herausforderungen bei Sand und Gips bis zu hin zu Praxis-, Zukunfts- und Forschungsthemen, die häufig im Zusammenhang mit Kreis­laufwirtschaft, Nachhaltigkeit oder Digitalisierung stehen.

Als Veranstalter fungierten wieder der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel (VDPM), der Bundesverband Estrich und Belag (BEB) sowie das Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF). Die technische Leitung und Moderation übernahmen Bernfried Hansel als Obmann des BEB-Arbeitskreises Calciumsulfat­estriche und die technische Geschäftsführerin des VDPM, Antje Hannig.

Im Rahmen seiner Begrüßung verwies Dr. Markus Pfeuffer, stellvertretender Vorsitzender des VDPM, auf die grüne Merkblattreihe, die im Oktober 2022 aktualisiert veröffentlicht wurde (erhältlich auf www.vdpm.info). Diese beinhaltet bereits die einheitliche Sprachregelung zur Belegreife von Calciumsulfat­estrichen, die in Zusammen­arbeit mit der Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Fußbodenbau (PRiF) erst im September 2022 besiegelt wurde.

BEB-Vorstandsmitglied Daniel Rendler stellte die Initiative und die neuen Belegreife-Werte vor: Bei PRiF handelt es sich um eine Initiative der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im ZDB, die bereits 15 Verbände und Organisationen vereint. Es hat eine neue, gemeinsame Regelung der Belegreife von Calciumsulfatestrichen gegeben: Bei der Feststellung der Belegreife gilt grundsätzlich die Querschnittsmessung. Bei den Calciumsulfatestrichen hat man sich bei unbeheizten Konstruktionen auf ≤ 0,5 CM-%, bei beheizten Konstruktionen auf ≤ 0,5 CM-% / 0,3 CM-% verständigt. In einer zusätzlichen Anmerkung wird auf DIN 18560 in der Ausgabe von 2015 verwiesen. Sie legt den Feuchtegehalt von Calciumsulfatestrichen mit 0,5 CM-% neu fest. Damit ist der Feuchtegehalt von beheizten Calciumsulfatestrichen von bisher 0,3 CM-% angehoben worden. Andere Normen, Literaturquellen und Verbände geben nach wie vor eine Belegreife von 0,3 CM-% an.

Estriche im Jahr 2050

Emanuel Schreiber, Leiter Technischer Dienst bei Ardex, fragte: „Wie müssen Estriche im Jahr 2050 aussehen?“ Wesentliche Einflussfaktoren seien Umweltschutz, Kreislauf­wirtschaft, Digitalisierung und Effizienz. Nachholbedarf sah er bei Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Seit Jahren werde an der Reduktion des Zementanteils in Bauteilen und nach alternativen Bindemitteln geforscht. Bei den Estrichbindemitteln etwa gebe es neue Ansätze für Pilzfäden als Baustoff der Zukunft.

Rohstoffe im Blick – Sand und Gips

Dr. Thomas Müller, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung von Beton­zusatz­mitteln bei Sika Deutschland, erläuterte, dass es in Deutschland zwar prinzipiell große Sandvorkommen gibt. Durch die aktuelle Nutzung der Flächen fehle aber vielfach der Zugang. Bei alternativen Quellen bestehen zusätzliche Herausforderungen darin, z. B. verunreinigte Sande aufzubereiten. Als künftige Wege benannte Dr. Müller eine Sandeinsparung am Bau sowie eine Intensivierung der Kreislaufwirtschaft auch bei diesem Baustoff.

Christopher Dürr, Leiter Politik bei Knauf, berichtete über die Gips-Rohstoffsicherung. Durch den politisch gewollten Ausstieg aus Kohlekraftwerken wird es voraussichtlich im Jahr 2030 (aber spätestens 2038) keinen REA-Gips mehr geben. Das Recycling von Gips kann die erforderlichen Mengen nicht kompensieren und nur einen geringeren Beitrag zur Rohstoffversorgung leisten, so Dürr. Die Industrie intensiviere daher den Abbau von Naturgips, der grundsätzlich in Deutschland ausreichend vorhanden, aber nicht immer zugänglich sei.

Fließestrich-Recycling

An der Bauhaus-Universität Weimar beschäftigt sich Andreas Hecker mit dem Recycling von Calciumsulfat-Fließestrichen. Er hat festgestellt, dass der zu recycelnde Gips sehr gut an der Körnung haftet. Ganz entscheidend bei der Forschung sei die Frage: „Bringen die Bindemittel später ausreichende Festigkeiten?“ Mit Hilfe von Ultraschall untersuchte Andreas Hecker die Erhärtung des Recycling-Fließestrichs, der ausreichend Biegezug- und Druckfestigkeit aufweisen muss. Seine Forschungsprojekte laufen derzeit noch.

Estrich und Fußbodenheizung

Der Fußbodenheizungsspezialist Wilfried Lammering (Herotec) warb bei den Estrich­legern dafür, mit einer neuen Gewerkeverteilung Hemmnisse abzubauen: „Der beheizte Fußboden gehört in eine Hand.“ Er sprach sich für eine Kompetenzbündelung im Handwerk aus. Seitens der Indsutrie gebe es bereits erfolgreiche Komplettsysteme aus Fußbodenheizung und Fließ­estrich am Markt.

Alexander Henksmeier vom Betoningenieurbüro Henksmeier zeigte Schäden an WU-Bodenplatten („Weiße Wanne“), die häufig erst nach Jahren auftreten. Fakt sei: Die Abdichtung auf WU-Bodenplatten sei nicht klar geregelt. Bei einer fachgerechten Verarbeitung erfüllten WU-Bodenplatten selbst die Abdichtung. Die Erfahrung zeige, dass Wasserdampfdiffusion und die besonders im frühen Stadium nicht erreichte Ausgleichs­feuchte bei diffusionsdichten Folgeaufbauten zu Problemen führen können. An dieser Grauzone müsse gearbeitet werden, um den Beteiligten mehr Sicherheit zu geben.

Fachwissen zu Restschwinden und Grundierungen

Mit dem Einfluss des Restschwindens auf die Belegreife von Estrichen beschäftigte sich Andres Seifert, Leiter Anwendungstechnik Bodensysteme bei Knauf Gips. Er stellte im Vergleich zwischen Zementestrich und Calciumsulfat-Fließestrich folgende Eigenschaften fest: Die abgebbare Wassermenge nach der Belegreife bei Zementestrichen ist deutlich höher als bei Calciumsulfat-Fließestrichen. Das Schwinden nach der Belegreife aufgrund der Trocknung sei bei Zementestrichen deutlich höher als bei Calciumsulfat-Fließestrichen. So habe auch der Fliesenleger Vorbehalte bei der KRL-Methode, weil die starren keramischen Beläge ein Problem mit dem Restschwinden, aber nicht mit der Restfeuchtigkeit hätten. Dies sei ein erheblicher Nachteil dieser neuen Messmethode.

Marcus Winkler, Leiter Anwendungstechnik für keramische Fliesen bei Mapei, informierte über die Wirkungsweise von Grundierungen auf Calciumsulfatestrichen. Diese zeigen in Abhängigkeit ihrer Bindemittel unterschiedliche Eigenschaftsprofile mit entsprechenden Auswirkungen auf die Oberflächenbeschaffenheit und die Wirkweise von Grundierungen. Im Fall von Acrylat- und Copolymergrundierungen wirkt sich das jeweilige Bindemittel auf das Funktionieren der Grundierung aus. Epoxidharzgrundierungen zeigen hingegen unabhängig von der Bindemittelbasis den höchsten Wirkungsgrad.

 

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Bild 1 Geballtes Fachwissen der Referenten beim FLIESSESTRICHFORUM 2022 in Fulda (von links): Marcus Winkler (Mapei), Emanuel Schreiber (Ardex), Alexander Henksmeier (Betoningenieurbüro Henksmeier), Andres Seifert (Knauf Gips), Christopher Dürr (Knauf), Antje Hannig (VDPM), Dr. Thomas Müller (Sika Deutschland), Dr. Markus Pfeuffer (VDPM/Heidelberger Beton), Wilfried Lammering (Herotec), Andreas Hecker (Bauhaus-Universität Weimar), Daniel Rendler (BEB) und Bernfried Hansel (BEB).

Bild 2 Volles Haus: Rund 150 Gäste nahmen am FLIESSESTRICHFORUM 2022 im Maritim-Hotel Fulda teil.

Bild 3 Antje Hannig, Geschäftsführerin Technik im VDPM, und Bernfried Hansel, Obmann des BEB-Arbeitskreises Calciumsulfatestrich, führten als Moderatoren durch das Programm.

Bild 4 Dr. Markus Pfeuffer, stellvertretender Vorsitzender des VDPM, stellte aktuelle Verbandsthemen in den Mittelpunkt seiner Begrüßung.

Bild 5 Daniel Rendler, Vorstandsmitglied im BEB, präsentierte aktuelle Ergebnisse der Initiative Praxisgerechte Regelwerke im Fußbodenbau (PRIF).

Bild 6 Emanuel Schreiber, Leiter Technischer Dienst bei Ardex, wagte einen Ausblick in die ferne Estrich-Zukunft und die damit verbundenen Herausforderungen.

Bild 7 Dr. Thomas Müller, Leiter Forschung und Entwicklung für Betonzusatzmittel bei Sika Deutschland, klassifizierte Sand als knappen Rohstoff.

Bild 8 Christopher Dürr, Leiter Politik bei Knauf, gab Einblicke in die Herausforderungen bei der Gips-Rohstoffsicherung.

Bild 9 Andreas Hecker, Wissenschaftler an der Bauhaus-Universität Weimar, stellte Forschungsansätze für das Recycling von Calciumsulfat-Fließestrichen vor.

Bild 10 Wilfried Lammering, Vertriebsleiter beim Fußbodenheizungshersteller Herotec, warb dafür, den beheizten Fußboden aus einer Hand auszuführen.

Bild 11 Alexander Henksmeier vom gleichnamigen Betoningenieurbüro sprach sich für mehr Sicherheit bei Abdichtungen auf WU-Beton aus.

Bild 12 Andres Seifert, Leiter Anwendungstechnik Bodensysteme bei Knauf Gips, brachte den Zuhörern die Bedeutung des Restschwindens von Estrichen näher.

Bild 13 Marcus Winkler, Leiter der Anwendungstechnik für keramische Fliesen bei Mapei, gab Tipps für die Wirkweise von Grundierung auf Calciumsulfatestrichen.

 


Über den VDPM

Der Verband für Dämmsysteme, Putz und Mörtel e.V. (VDPM) repräsentiert die führenden Hersteller von Fassadendämmsystemen und deren Zubehör, Außen- und Innenputzen, Mauermörtel und Estrich. Im Sinne seiner Mitgliedsunternehmen engagiert sich der VDPM für eine effiziente Interessenvertretung gegenüber der (Fach)Öffentlichkeit, der Politik, sowie den Behörden und Institutionen auf deutscher und europäischer Ebene. Die Fachgremien des VDPM erarbeiten und bewerten dabei Grundlagen und Vorschläge zu Technik- und Umweltschutzthemen sowie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, beteiligen sich an Forschungsvorhaben und leisten erfolgreiche Presse- und Normungsarbeit. Für Planer, Architekten und Bauherren stellt der Verband eine Vielzahl herstellerneutraler Informationen zur Verfügung und ist kompetenter Ansprechpartner.