Expertenrat für Klimafragen legt sein Zweijahresgutachten vor
Der Expertenrat für Klimafragen hat am 05.02.2025 sein Zweijahresgutachten veröffentlicht. Darin untersucht er im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags die Entwicklungen und Trends der Treibhausgasemissionen und bewertet die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und sozialen Verteilungswirkungen gemäß § 12 Abs. 4 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Darüber hinaus gibt der Expertenrat eine Einordnung zur Ausrichtung der zukünftigen Klimaschutzpolitik Deutschlands und formuliert dabei Anforderungen an das Klimaschutzprogramm, das eine neue Bundesregierung innerhalb des ersten Jahres der Legislaturperiode vorlegen muss. Der Expertenrat zieht folgendes Fazit:
Bisherige Entwicklungen und Trends bezüglich der Jahresemissionsmengen:
Die sektorenübergreifenden Treibhausgas (THG)-Emissionen sind seit dem Jahr 2021 deutlich gesunken, wobei alle Sektoren – bis auf den Verkehr – Rückgänge verzeichneten. Die Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung variiert erheblich zwischen den Sektoren. Signifikante Rückgänge waren besonders im Sektor Energiewirtschaft zu beobachten. Auch in der Industrie kam es in den Jahren 2022 und 2023 zu nennenswerten Reduktionen. Im Gebäudesektor, in der Landwirtschaft und in der Abfallwirtschaft sind die THG-Emissionen leicht gesunken, während im Verkehrssektor die THG-Emissionen seit 2021 leicht angestiegen sind.
Die beschriebenen THG-Emissionsrückgänge waren ausreichend, um die im KSG festgelegten Jahresemissionsgesamtmengen in den Jahren 2021 bis 2023 einzuhalten. Auf sektoraler Ebene ergibt sich jedoch ein gemischtes Bild hinsichtlich der Zielerreichung: Während Energiewirtschaft, Industrie, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft ihre sektoralen Vorgaben erreichten, lagen die THG-Emissionen im Gebäudesektor (temperaturbereinigt) knapp oberhalb der Zielwerte. Die THG-Emissionen des Verkehrssektors überstiegen die im KSG genannten Jahresemissionsmengen deutlich.
Die in den vergangenen Jahren beobachtete Geschwindigkeit der THG-Emissionsminderung würde nicht ausreichen, um das gesetzlich festgelegte Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen. Wenn das im KSG vorgegebene Ziel erreicht werden soll, die THG-Emissionen im Jahr 2030 um 65 Prozent gegenüber dem Referenzwert des Jahres 1990 abzusenken, müsste die mittlere jährliche Reduktionsrate ab dem Jahr 2024 jedoch um mehr als die Hälfte zunehmen.
Der Rückbau des fossilen bzw. emissionsintensiven Kapitalstocks verläuft nach wie vor zu langsam, um die sektoralen Emissionsziele zu erreichen. Im Gebäudesektor sind die Austauschquoten von Gas- und Ölheizungen niedrig und der Absatz von neuen fossilen Heizungen bleibt hoch. Auch im Verkehrssektor wird weiterhin eine hohe Anzahl an fossilen Pkw neu zugelassen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie ohne Gegenmaßnahmen lange im Bestand bleiben werden. Damit sind sowohl im Gebäude- als auch im Verkehrssektor im Jahr 2030 weiterhin hohe THG-Emissionen zu erwarten. Dies macht das Erreichen der gesetzlichen Zielvorgaben in den beiden Sektoren aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.
Der Aufbau von neuem nicht-fossilen bzw. emissionsarmem Kapitalstock geht ebenfalls insgesamt zu langsam voran, um die politisch definierten Ziele für Indikatoren zu erreichen, die für die THG-Emissionsentwicklung eine wichtige Rolle spielen. So verzeichnete zum Beispiel im Gebäudesektor der Absatz von Wärmepumpen im Jahr 2024 einen deutlichen Einbruch und die jährliche Sanierungsrate von Gebäuden liegt weiterhin bei unter einem Prozent.
Betrachtungen zur Wirksamkeit klimaschutzpolitischer Maßnahmen:
In den vergangenen beiden Jahren wurde eine Reihe von Maßnahmen zur Minderung der THG-Emissionen substanziell novelliert oder neu eingeführt. Zudem wurden einige Programme und Strategien beschlossen, die unmittelbar oder mittelbar für die Erreichung der im KSG festgelegten Ziele bedeutsam sind. Auf Maßnahmenebene zählen dazu beispielsweise die Regelungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren in der Energiewirtschaft, die Einführung von Klimaschutzverträgen in der Industrie, die Novellierung der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) und des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie die Implementierung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG) im Gebäudesektor und im Sektor Verkehr das Deutschlandticket.
Im Gebäudesektor hatte die BEG eine bedeutsame Minderungswirkung. Perspektivisch könnten die Einsparungen durch die Kombination aus Förderung (BEG) und Regulatorik (GEG und WPG) vergrößert werden.
Im Bereich der ökonomischen Auswirkungen zeigt die Analyse, dass insbesondere Förderprogramme mit Ausgaben im zweistelligen Milliardenbereich je nach betrachteter Studie vielfach mittlere bis sehr hohe THG-Minderungskosten und damit eine eher geringe Kosteneffizienz aufweisen. Bei der Novellierung der BEG wurde diesem Aspekt bereits Rechnung getragen, sodass nun eine Erhöhung der Fördereffizienz zu erwarten ist.
Klimaschutzpolitik umfassend einbetten:
Die Ergebnisse dieses Gutachtens unterstreichen das hohe Ambitionsniveau der im KSG vorgegebenen politischen Ziele und lassen das Erreichen dieser Ziele ohne wesentliche Anpassungen in der Ausrichtung der Klimaschutzpolitik fraglich erscheinen. Hinzu kommt, dass sich wesentliche Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren erheblich geändert haben. Hier sind geopolitische und geoökonomische Entwicklungen ebenso wie die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu nennen. Zugleich sind mittlerweile sechs von neun planetaren Grenzen für den Umfang menschlicher Aktivitäten auf der Erde überschritten. Die zunehmend dramatischen Folgen und Auswirkungen dessen, z. B. aufgrund von Extremwetterereignissen, erfordern gleichermaßen politisches Handeln, insbesondere im Bereich der Anpassung an die Klimaänderung.
Diese Situation erfordert aus Sicht des Expertenrats die erheblich stärkere Einbettung klimaschutzpolitischer Maßnahmen in eine politische Gesamtstrategie, die sämtliche relevanten Politikfelder umfasst. Diese Strategie muss anschlussfähig an die übergreifende Strategie der Europäischen Union sein und die Anforderungen an diese Strategie aus deutscher Sicht benennen. Der Expertenrat hat bereits in früheren Dokumenten darauf hingewiesen, dass Klimaschutzpolitik in enger Wechselwirkung mit anderen Politikfeldern steht, und ein konsistentes Gesamtkonzept für die deutsche Klimaschutzpolitik angemahnt.
Aus Sicht des Expertenrats haben Dringlichkeit und Relevanz dieser Überlegungen durch die skizzierten Veränderungen und die neuen Herausforderungen für Deutschland und die EU erheblich zugenommen.
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